Der Schriftsteller Peter Schneider schrieb 1973 – als 33-Jähriger – mit der Erzählung «Lenz» das Kultbuch seiner Generation. Diesen berühmten «68ern», die inzwischen zu ökonomisch, akademisch oder politisch erfolgreichen «Golden Agern» geworden sind, widmet er nun noch einmal einen Roman und lässt ihn in einem Milieu spielen, mit dem er bestens vertraut ist:
Ein Buch von:
Birgit Kelle

Peter Schneider wurde 1940 in Lübeck geboren, studierte in Freiburg Germanistik, Geschichte und Philosophie. In Berlin, wo er bis heute als freier Schriftsteller lebt, zählte er in den Sechzigerjahren zu den führenden Köpfen der Studentenbewegung. Berühmt wurde, neben seinem Erstling «Lenz», vor allem «Der Mauerspringer» von 1982, ein Roman über die Mauer in Berlin und «in den Köpfen». Zuletzt erschienen «Mein ’68» (2010), «Die Lieben meiner Mutter» (2013) und sein Berlin-Porträt «An der Schönheit kann’s nicht liegen» (2015).
Schneider unterrichtet seit den 1990er-Jahren als Gastdozent an amerikanischen Universitäten. Eine solche Gastdozentur – dort an der New York University – schenkt der Autor auch Roland, seinem Helden. Und er erlegt ihm runde 70 Lebensjahre auf, deren Mühen dieser mit Herbert, Max und Winfried, seinen Freunden aus dem «Club der Unentwegten» teilt: hohe Blutzucker- und Blutdruckwerte und Furcht vor Demenz – sowie das Bedürfnis, sich inmitten solcher Gefahren gegenseitig den Rücken zu stärken, auch wenn das Klagen den Statuten des Clubs widerspricht.
Gemeinsamer Nenner der informellen Clubmitgliedschaft ist aber – neben dem erfolgreichen Marsch der Alt-Achtundsechziger durch die Institutionen in die lichten Höhen des Establishments – die «unentwegte» Leidenschaft für schöne und deutlich jüngere Frauen. Im Falle Rolands heisst sie Leyla, ist eine Galeristin mit iranischen Wurzeln. Er begegnet ihr, nicht ganz unpassend, auf der Beerdigung eines Freundes, verliebt sich in sie und stösst zu seiner Überraschung auf Resonanz.
Peter Schneider schildert die kurze, gemeinsame Zeit der beiden aus Rolands Perspektive – als einen Versuch, durch eine letzte leidenschaftliche Liebe den Tod zu bannen und sich dafür über alle Risiken hinwegzusetzen. Diese sind mit der Gefahr verbunden, den bürgerlichen Tod der Lächerlichkeit zu sterben, sich der narzisstischen Kränkung der Zurückweisung auszusetzen, körperlich zu versagen. Aber Peter Schneider vermag auch die schicksalhafte Gewalt glaubhaft zu machen, mit der seinen Helden berauschende Glücksmomente überkommen und er sich in der Begegnung zu verlieren bereit ist.
All dies wird mit melancholischer Ironie erzählt, zugleich aber mit gnadenloser Klarheit. Und so hält sich der Roman sicher auf dem schmalen Grat, der die schonungslose Schilderung der Risiken und Nebenwirkungen einer Altersliebe von peinlicher Altmännerprosa trennt. Nimmt man die Facetten und Fährnisse später Liebe und kleiner täglicher Erfolgsmeldungen hinzu, die die anderen Herren vom Club beisteuern, lässt sich der Befund dieses teilnehmend-maliziösen Generationenporträts im Diktum des späten Joachim Fuchsberger bündeln: «Altwerden ist nichts für Feiglinge.»
Hartmut Mangold
Peter Schneider:
«Club der Unentwegten»
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017.
288 Seiten. ISBN 978-3-462-05018-9.